Die Spieltheorie – Wie sich das Modell aus der Ökonomie & Wirtschaftswissenschaft auf Bitcoin übertragen lässt
Worum handelt es sich bei der Spieltheorie und welche Beispiele aus der Spieltheorie lassen sich auf die Bitcoin Ökonomie übertragen? Wir stellen dir zwei der wichtigsten Themen vor!
Bitcoin ist mehr als es auf den ersten Blick scheint. Wer sich mit dem Thema Bitcoin auseinandersetzt, beginnt oft mit der Perspektive auf die finanziell-spekulativen Qualitäten von Bitcoin. Hauptsächlich beschäftigt man sich nur mit der Preisentwicklung von Bitcoin und freut sich über allfällige Kurssteigerungen.
Doch noch bevor man: "Bitcoin to the moon" über die Lippen gebracht hat, findet man sich in einem unendlichen Kaninchenbau wieder. Ein Kaninchenbau, der Abzweige zu Themen hat, von denen man ohne Bitcoin wohl niemals erfahren hätte.
Die Themenfelder sind vielfältig: Thermodynamische und physikalische Modelle, libertäre Philosophie, Volkswirtschaftslehre nach der Österreichischen Schule, politische Regulation, Gesetze der Kryptographie und Computer Science, und nicht zuletzt die Geschichte des Geldes.
Das Thema, um das es heute gehen soll, wird zumeist in der Betriebswirtschaftslehre und den Wirtschaftswissenschaften betrachtet. Es geht um Spieltheorie und in welchen Bereichen man diese auf Bitcoin anwenden kann. Wir gehen dabei auf verschiedene Teilbereiche des Netzwerks ein und welche spieltheoretischen Überlegungen man dort jeweils anstellen kann. Lehne dich also zurück und geniesse diese Etappe deiner BitcoinReise.
Was ist die Spieltheorie?
Spieltheorie kommt immer dann zum Einsatz, wenn man das Verhalten einzelner Akteure in konkreten Situationen analysieren oder vorhersagen möchte. Das Ziel der Spieltheorie ist, das rationale Handeln in Entscheidungssituationen abzuleiten.
In der BWL versucht man durch Spieltheorie zum Beispiel das Verhalten von Unternehmen oder Personen in einem Markt zu untersuchen. Dazu werden Entscheidungssituationen simplifiziert und entsprechende Handlungskonzepte entwickelt. Die Entscheidungen stehen normalerweise in Abhängigkeit von Konkurrenten, Kunden oder Produzenten.
Die Spieltheorie ist spannend, da komplexe Abläufe durch das Herunterbrechen auf konkrete Entscheidungen einfach dargestellt werden können. Für gewöhnlich wird eine Spieltheorie als Entscheidungsmatrix dargestellt. Es sind dafür immer mindestens zwei Akteure notwendig.
Für seine Forschungen im Bereich der Spieltheorie bekam der Erfinder des Nash-Gleichgewichts, John Forbes Nash, im Jahr 1994 den Wirtschaftsnobelpreis. Das bekannteste spieltheoretische Modell ist das sogenannte Gefangenendilemma.
Das Nash-Gleichgewicht
Wir schauen uns das Nash-Gleichgewicht mal an einem einfachen Beispiel an. Zwei Unternehmen möchten ihren Umsatz im gleichen Markt steigern. Einfachheitshalber nennen wir diese Unternehmen Nike und Adidas. Es gibt zwei Möglichkeiten mehr Umsatz zu erzielen: Preise senken oder Werbung schalten. Zwei Unternehmen haben zwei verschiedene Möglichkeiten, was uns zu vier unterschiedlichen Szenarien führt.
Für jedes Szenario wurden entsprechend Punkte vergeben. Je mehr Punkte, desto besser die Strategie. Die Annahmen dazu sind die folgenden:
1. Schalten beide Werbung, bekommen zwar beide die Aufmerksamkeit der Kunden, müssen sich diese jedoch mit dem Konkurrenten teilen.
2. Schaltet Nike Werbung und Adidas reagiert mit einer Preissenkung, hat zwar Nike die grösste Aufmerksamkeit, die Preissenkung von Adidas funktioniert jedoch besser.
3. Senkt Nike die Preise und Adidas schaltet Werbung, passiert das Gleiche.
4. Senken beide die Preise, wird es von den Kunden nicht als Rabatt wahrgenommen und die Umsatzsteigerung bleibt aus.
Kennt man die Ergebnisse, lassen sich dominante Strategien ableiten:
Als First Mover ist es stets die dominante Strategie, die Preise zu senken. Das Unternehmen, welches nachzieht, hat keinen Anreiz ebenfalls die Preise zu senken. Es wird Werbung schalten.
Befürchtet man beispielsweise, dass die Konkurrenz ihre Massnahme schneller umsetzt, so ist die Option Werbung schalten die sichere Variante.
Schaltet ein Unternehmen zuerst Werbung und das andere Unternehmen senkt die Preise, so ist es für beide Unternehmen die dominante Strategie, bei ihrer Wahl zu bleiben. Ein Wechsel würde für beide eine Verschlechterung bringen.
Diese Annahmen sind ein Musterbeispiel eines Nash-Gleichgewichtes. Ein Nash-Gleichgewicht beschreibt eine Situation, bei dem sich keiner der beiden Unternehmen durch einseitiges abweichen seiner Strategie individuell besser stellen kann.
Das Gefangenendilemma
Stehen zwei Unternehmen dem Problem gegenüber, dass die jeweils individuell dominante Strategie nicht zu einem kollektiven Gewinn führt, spricht man von einem Gefangenendilemma. Es führt zu einem schlechteren Output für beide Teilnehmer. Versuch das mal mit dem nachstehenden Beispiel zu verstehen:
Obenstehende Situation wird immer damit enden, dass beide Unternehmen die Preise senken. Insgesamt für den Markt das schlechteste Resultat.
Falls du Schwierigkeiten hast, das zu verstehen, schreib uns eine Nachricht auf Twitter. Wir erklären es dir gerne noch detaillierter! 🤗
In der Realität wird natürlich alles deutlich komplizierter, da Wahrscheinlichkeiten und Gewichtungen eine grosse Rolle spielen. Nichtsdestotrotz hilft die Spieltheorie anhand ökonomischen Anreizen, Handlungen abzuleiten.
Welche konkreten Situationen gibt es in der Bitcoin Ökonomie?
Spieltheorie findet im Bitcoin Netzwerk einige geeignete Anwendungsfälle. Wir haben für euch unsere zwei liebsten spieltheoretischen Denkansätze in der Bitcoin Ökonomie herausgesucht.
Korrupte Bitcoin Miner
Das Mining von Bitcoin geschieht für gewöhnlich in sogenannten Mining Pools. In diesen Pools schliessen sich Miner mit ihrer Hashrate mit anderen Minern zusammen. Ziel ist es, die hohe Varianz im Bitcoin Netzwerk auszugleichen. Eine hohe kumulierte Hashrate im Pool erhöht die Chance gemeinsam den nächsten gültigen Block zu finden, verringert aber den Ertrag pro einzelnem Miner.
Würden sich die 3 grössten Mining Pools der Welt (Foundry USA, AntPool und Binance Pool) zusammenschliessen, würden diese den Grossteil der Hashrate im Netzwerk kontrollieren. Zusammen bringen sie es auf eindrucksvolle 60% der weltweiten Hashrate.
Dadurch wird eine 51%-Attacke nicht nur spieltheoretisch möglich, sondern auch praktisch! So könnten durch ein Zusammenschluss beispielsweise Transaktionen rückgängig gemacht werden, Coins mehrfach ausgegeben werden, oder andere Regeln im Netzwerk geändert werden.
Wieso haben aber nur so wenig Angst vor diesem schrecklichen Szenario?
Eine derartige Regeländerung zum Vorteil der dominanten Miner würde vom Grossteil des Netzwerkes nicht akzeptiert werden. Die Nodebetreiber würden die neuen Regeln nicht annehmen und die Blöcke ablehnen. Durch die transparente Natur der Blockchain wäre jede Änderung offensichtlich und Bitcoin würde seine Qualitäten als sicherer Wertspeicher sofort verlieren. Ein rapider Preisverfall würde sich einstellen.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Regeländerungen, die zwar möglich wären, aber nur einigen wenigen dienen würden, keinen Erfolg hätten. Die Hardware der Miner würde wertlos werden, die erhaltenen Bitcoin ebenso. Das System bietet den Anreiz ehrlich zu bleiben und nach den Regeln zu spielen, die für den Grossteil des Netzwerkes am vorteilhaftesten sind.
Entsprechend haben die dominanten Miner also keinen ökonomischen Anreiz, sich zusammenzuschliessen und etwas zu ihrem Gunsten abzuändern.
Adaption verschiedener Länder
Nach dem mutigen Schritt durch das zentralamerikanische Land El Salvador im Jahr 2021 wurde Bitcoin im ersten Staat der Welt offiziell als legale Währung eingeführt. Damit hat der erste Spieler im Spiel der staatlichen Bitcoin Adaption seinen Zug gemacht. Dieser kam für die meisten anderen Spieler unerwartet, sodass vor Einführung kaum Gegenmassnahmen unternommen werden konnten.
Seitdem schauen viele weitere Länder mit hohen Inflationsraten (oder ohne eigene Währung) sehr genau auf das Beispiel Bitcoin in El Salvador. Interessant ist, dass seit der Einführung in El Salvador auch andere Spieler, wie die Zentralbanken oder der Internationale Währungsfonds, aktiv im Spiel der staatlichen Bitcoin Adaption mitspielen. Diese Spieler versuchen jeden weiteren Spieler daran zu hindern sich für Bitcoin zu entscheiden.
Es drohen nun also massive Sanktionen wie beispielsweise der Verlust internationaler Fördergelder. Durch die vielen Unbekannten in diesem spieltheoretischen Ansatz ist der Ausgang alles andere als klar.
Fragt man überzeugte Bitcoiner, so würden die Länder mit den höchsten Inflationsraten am meisten von einer frühen Adaption profitieren. Die Early Mover hätten einen grossen Vorteil gegenüber den Ländern, deren Währungen momentan noch halbwegs stabil sind und die deshalb noch keinen Grund für einen Wechsel sehen. Denn je früher diese Entwicklungsländer Bitcoin adaptieren, desto günstiger ist der Preis in US Doller und desto mehr Bitcoin können sie kaufen.
Bitcoin Kritiker hingegen sehen in dessen Adaption den geldpolitischen Suizid. Staaten und Regierungen würden dadurch ihre Macht aufgeben und sich selbst extrem schaden.
Was schlussendlich eintrifft, kann auch spieltheoretisch nicht genau vorausgesagt werden. Wie erwähnt spielen Wahrscheinlichkeiten und Gewichtungen in der Realität eine grosse Rolle.
Fazit
Durch Spieltheorie wird der Ausgang eines Szenarios deutlich, obwohl es noch nie praktisch durchgeführt wurde. Die Theorie gilt, so lange sich Spieler rational verhalten.
Kennt man alle Variablen (wie in unserem Beispiel mit Nike und Adidas), ist das Ergebnis sehr deutlich. Bleiben hingegen viele Kernfragen offen (wie bei der Adaption in verschiedene Länder), kann Spieltheorie maximal als Annäherung an die Wahrheit, als Entscheidungshilfe oder als ein aktueller Stand dienen.
Auch wenn Spieltheorie ihre Grenzen hat, so hilft sie uns komplexe Vorgänge und Anreize bei Bitcoin zu verstehen und nachzuvollziehen. In jedem Fall helfen diese Theorien dabei, Denkanstösse zu liefern und sich über Möglichkeiten und Herausforderungen in der Zukunft klar zu werden.
Geniess die BitcoinReise und bis zum nächsten Mal.